Intime-Berichte
 
Wie Kunibald von Sappenstiel und Raskra Vandrarsdottir zueinander fanden
 
m Frühjahr 30 Hal verließ der Thorwaler Valadur Atmanson, ein Mann aus Haibuthar, ohne Abschied sein Dorf. Als die Kriegerin Frenja Jurgadottir fragte, wohin er gegangen sei, erfuhr sie, dass Valadur zuvor wochenlang von schweren Alpträumen gequält wurde. Immer wieder sei er nachts aus dem Schlaf hochgeschreckt, bleich und mit weit aufgerissenen Augen habe er in die Nacht gestarrt. Fragte man ihn, was geschehen sei, dann gab er keine Antwort. Irgendwann habe er schließlich sein Bündel gepackt. "Ich muss gehen. Er ruft mich", war die einzige Erklärung, die er gab. Dann zog er los in Richtung der dunklen Lande.
it sich nahm er ein altes thorwalsches übergroßes Breitschwert zyklopischer Machart, welches einst von Thorbrandt Thorkarson, dem ersten "Thorbrenner" und Gründer des ersten der Wehrhöfe, aus denen später Haibuthar entstand, vor gut zwei Jahrhunderten getragen wurde. Der Legende nach hatte er dieses Schwert auf den Zylopeninseln von einem Zyklopen anfertigen lassen, wobei als Griff des Schwertes ein Relikt einer älteren Waffe gedient haben soll.
In den Griff waren zwei Steine eingearbeitet: ein Gwen-Petryl-Splitter, den einer der Überlebenden der Überfahrt aus Hjaldingard auf Swafnirland erhalten hatte sowie ein Edelstein, der aus einer anderen Waffe stammte. Der Gwen-Petryl-Splitter sollte den Nachfahren der Familie helfen, den Weg in ihre Heimat zurückzufinden oder diesen Weg zu überleben.
Gar traurig war Frenja, als sie von Valadurs Reise erfuhr. Und als die Monate vergingen, ohne ihn zurückzubringen, beschloss sie, ihn zu suchen. Die Skaldin Raskra Vandrarsdottir schloss sich ihr an und gemeinsam zogen die beiden Frauen los. Doch aufgrund der langen Zeit, die vergangen war, konnten sie die Spur des Freundes nicht finden. So suchten sie Hilfe magischer Natur und trafen dabei auf Magister Ephraim Ilmenblick und die Nivesin Takoja. Takoja versprach ihnen, dass sie den Verbleib des Freundes ausfindig machen könne, wenn man ihr etwas aus seinem persönlichen Besitz überlasse.
Nach einem schamanistischen Ritual erklärte sie den beiden Thorwalerinnen, dass Valadur gestorben sei. Doch seine Seele könne keine Ruhe finden, bis man einen Gegenstand, der ihm sehr viel bedeute, zurück in sein Heimatdorf gebracht habe. Da wussten die beiden Thorwalerinnen, dass Valadur sie gerufen hatte, damit sie das Runenschwert nach Haibuthar zurückbrachten.

nter der Führung von Takoja und Ilmenblick gelangten die Weggefährten alsdann in die Dunklen Lande, wo sie die Leiche Valadurs fanden, doch das Schwert blieb verschwunden. Die Gefährten wollten gerade der Seele des Gefallenen den Weg bereiten, als sie von vier Kriegern angegriffen wurden. In einem heftigen Gefecht und unter tatkräftiger Unterstützung des Magisters gelang es den Weggefährten jedoch, diese zu überwältigen.
Nur einer der vier überlebte: ein junger, gutaussehender Mann mit dunkelblonden Haaren und blauen Augen. Als Ilmenblick versuchte, ihn auf magischem Wege zu verhören, erkannte er, dass der Mann unter einem Bann stand. Es gelang ihm, diesen zu brechen. Wie aus tiefem Schlaf erwachend, blickte der Gefangene da die Weggefährten an und erzählte ihnen stockend seine leidvolle Geschichte:
Sein Name sei Answin, Abgänger der Kriegerakademie zu Wehrheim, seine Mutter eine Bäuerin aus dem Lehen Sappenstiel. Sein Herr, der unter dem Namen Perainor von Sappenstiel-Sippwitz bekannt war, bevor er diesen ablegte, habe ihn dazu gezwungen, ihm zu dienen, obwohl Answin dies ablehnte, da er wusste, dass sein Herr zu Borborad übergelaufen war. Doch Perainor wollte den allseits beliebten Hauptmann seiner Burgwache auf seiner Seite wissen und erpresste diesen mit dem Leben seiner einzigen Tochter, in die Answin gar stürmisch verliebt war.
Er habe sie retten wollen, Alena gedrängt, mit ihm gemeinsam zu fliehen, als ihr Vater sich noch nicht offen zu Borborad bekannt hatte. Doch Alena wollte ihm keinen Glauben schenken, glaubte vielmehr, er habe sich von ihr abgewendet, weil er eine Verbindung mit ihr ablehnte, da er von seiner Mutter erfahren hatte, dass er ein unehelicher Sohn Perainors war und damit Alenas Halbbruder. Als er Alena endlich überzeugen konnte zu fliehen, war es zu spät. Perainor fasste sie in flagranti und sperrte beide im Kerker ein.
Zuerst versuchte Perainor Answin durch Folter auf seine Seite zu bringen. Als das nichts half, presste er ihn dazu - mit dem Leben seiner eigenen Tochter als Pfand. Viele bittere Jahre müsse Answin dem Herrn nun schon dienen, gegen seinen Willen und ohne dass er dazu in der Lage sei, mit jemandem darüber zu reden oder Hilfe zu holen. Dafür hatte der Bann gesorgt, unter den Perainor ihn von einem der Heptarchen stellen ließ. Umso größer war der Dank, den er den vier Weggefährten nun ob seiner Erlösung entgegenbrachte.
Als man Answin schließlich nach dem Verbleib des Schwertes und zu Valadurs Tod befragte, erklärte er unter Tränen, dass er selbst es gewesen sei, der den Thorwaler auf Befehl seines Herrn getötet habe, um sein Schwert an sich zu bringen. Sein Herr habe es im Auftrag eines der Heptarchen an sich bringen sollen. Es befinde sich auf der Burg, zusammen mit einigen anderen Artefakten, die sein Herr für selbigen Heptarchen in seinen Besitz brachte. Gerne würde er den Gefährten helfen, das Schwert an sich zu bringen, wenn sie ihm dabei halfen, die Geliebte zu retten.
Die vier Weggefährten gingen auf das Angebot Answins ein, und so führte dieser sie noch in der selben Nacht auf geheimen Pfaden in die Burg Perainors. Ohne große Zwischenfälle gelang es ihnen mit Answins Hilfe nicht nur das Schwert sowie einige Artefakte zu entwenden, sondern auch die Tochter des Bösewichts aus ihrem Kerker zu befreien. Und gar groß war die Freude der beiden Geliebten, sich endlich wieder in den Armen halten zu dürfen.

och die Freude war nicht von Dauer. Zwar bemühten sich die sechs Weggefährten auf ihrer Flucht darum, sich zu verstecken, doch schon bald entdeckten sie, dass Perainor sie durch einen Trupp seiner Gefolgsmänner verfolgen ließ. Viele Umwege nahmen die Verfolgten auf ihrem Weg nach Nostria, wo man die zwischenzeitlich schwangere Alena bei Verwandten in Sicherheit bringen wollte, in Kauf, um die Häscher abzuschütteln. Aus wenigen Tagen Wegstrecke wurden Wochen. Doch ihre Mühen waren vergeblich.
Auf nostrischem Boden holten die Verfolger die Flüchtigen ein und brachten Alena wieder in ihre Gewalt, um sie in die Hände ihres Vaters zu entführen. Da ritt Answin zu den Verwandten Alenas und bat diese um Hilfe, während die anderen die Spur der Entführer aufnahmen, waren die sechs Weggefährten in der Zwischenzeit doch zu Freunden geworden. Bald kehrte Answin mit Kunibald von Sappenstiel und einem Trupp Berittener zurück. Gemeinsam nahm man die Verfolgung auf, doch diese zog sich aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit in die Länge.
Erst an den Grenzen zu den Dunklen Landen gelang es den Männern und Frauen um Answin, die Entführer einzuholen. Sie schickten sich gerade an, die Entführer zu stellen, als sie einen weiteren Trupp Berittener entdeckten, der den Entführern zu Hilfe eilen wollte. Da scharte Answin einige Freiwillige um sich und eilte der neuen Bedrohung entgegen, um diesem Trupp den Weg abzuschneiden, damit Kunibald mit seinen Mannen Alena befreien konnte.
Sein Plan ging auf. Kunibald war erfolgreich, Alena konnte aus den Händen der Entführer befreit werden. Answin jedoch stieß auf sein Schicksal. Perainor selbst war es, der den Trupp leitete, der den Entführern zu Hilfe kommen sollte und der sich ihm entgegenstellte. Kurz und heftig war der Kampf. Doch der Sohn hatte Skrupel, den Vater zu töten, die dieser nicht kannte. Von Perainors Lanze durchbohrt, sank der uneheliche Sohn in die Arme Perainors, der ihn als Schild missbrauchen wollte, um seine Tochter wieder in seine Gewalt zu bringen.
"Schießt", rief Answin seinen Freunden zu. Kunibald gehorchte und erschoss den Recken mit seiner eigenen Hand. Im folgenden Tumult gelang es den Freunden zu entkommen. Gar viele Männer aus Kunibalds Trupp fanden bei dem Kampf den Tod, doch niemand wurde so beweint wie Answin, der für seine Liebste in den Tod gegangen war.
Untröstlich war Alena, als die Gefährten sie nach Nostria in die Arme ihrer Verwandten geleiteten. Unversöhnlich zeigte sie sich gegenüber Kunibald, der ihren geliebten Answin getötet hatte. Unbeugsam verhielt sie sich gegenüber Rondriane und Thalionmel, die das Knäblein, das sie von Answin empfangen hatte und auf Burg Harmlyn gebar, nicht anerkennen wollten.
So wurden denn zwei geliebte Herzen auf immer voneinander getrennt, während zwei andere Herzen bei der Queste in Liebe zueinander fanden: Raskra und Kunibald entdeckten ihre Liebe zueinander. Nur unter dem gegenseitigen Versprechen, sich bald wieder zu treffen, konnten sie sich voneinander trennen.
Während der Magister sich wiederum nicht von der Waffe trennen konnte, vermutete er doch Unheil in dem einen Edelstein, der ihren Griff zierte. Erst als Frenja dazu bereit war, den Edelstein aus dem Griff zu lösen und auf Burg Harmlyn zu verwahren, war er dazu bereit, diese mit dem Schwert ziehen zu lassen. Seitdem ist er auf der Suche nach Wissen, das seinen Verdacht zerstreuen könnte. Mögen die Zwölfe ihn auf seiner Suche geleiten und die Liebenden endlich im Bunde Travias zusammenführen, auf dass dieses unselige Abenteuer doch noch zu einem guten Ende führen möge.
 
Kalman Gerdenwald
Hofschreiber zu Harmlyn
 
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